Filmkritik: “Der Untergang”
Magazin “Mix Up” im StadtRadio Göttingen ausgestrahlt am 11. Oktober 2004
Eine nicht ganz objektive Meinung zum Film „Der Untergang“ von Ingeborg Lüdtke.
Mir hat der Film „Der Untergang“ sehr gut gefallen. Der Film ist kein Dokumentarfilm und hat sicherlich auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er beschränkt sich nur auf die letzten Tage des 3. Reiches in Berlin. Er beruht auf den Aufzeichnungen von Hitlers Sekretärin Traudl Junge und dem Buch „Der Untergang“ von Joachim Fest.
Ein Film kann nie absolut objektiv sein. Genau wie die Geschichtsschreibung nie objektiv ist. Wenn sie gut ist, wird sie allenfalls subjektiv objektiv aus der Sicht des Schreibers sein.
Hitler wird in dem Film weder verherrlicht noch verklärt. Hitler zeigt hier durchaus menschliche Züge z. B. beim Einstellungsgespräch mit seiner künftigen Sekretärin Traudl Junge. Sie vertippt sich sehr viel und erhält eine 2. Chance.
Dann wieder erlebt man einen Hitler, der sich völlig realitätsfremd und menschenverachtend gegenüber der Zivilbevölkerung verhält.
Auch will er seinen Generälen nicht glauben, dass seine Truppen zerschlagen sind und der Feind nur wenige Kilometer vor dem Reichstag steht.
Er reagiert mit Schreitiraden.
Bruno Ganz spielt Hitler in vielen Schattierungen. Man kann ihm nur für die hervorragende Leistung gratulieren. Ich persönlich habe allerdings Probleme, mir vorzustellen, dass Hitler privat so wie im Film gesprochen hat. Für mich hörte es sich oft undeutlich an, so als ob Hitler ein Knödel im Mund hätte. Mir als sogenannten Nachgeborenen, ist nur die Stimme aus der „Wochenschau“ bekannt: (kurze Einblendung aus Wochenschau).
Allerdings soll es Filmmaterial von der „Wolfshöhe“ geben, in dem Hitler privat spricht, an diesem Material hat sich Bruno Ganz orientiert.
Anhand von fiktiven Personen werden die damalige Kriegssituation und die Stimmung in der Bevölkerung in Berlin gezeigt.
Der Film lebt von Gegensätzen.
Auf der einen Seite die von der Außenwelt abgeschlossen Personen im Bunker, die Hitler 56. Geburtstag feiern und sogar den verbotenen Swing tanzen, auf der anderen Seite die Bomben die auf Berlin fallen.
Draußen in der Stadt versuchen Kinder Panzer abzuschießen und sind anfangs noch Feuer und Flamme für den Führer. (Hinterlegen mit Kaiserquartett von Josef Haydn, später Melodie der dt. Nationalhymne). Ein Vater, der seinen Sohn zum Aufhören überreden will, wird von seinem Sohn verachtet. Später wird der 12j Sohn von der Realität eingeholt und erkennt die Sinnlosigkeit des Krieges und geht zum Vater zurück. Die Eltern und andere Zivilisten, die nicht konform dachten werden später von Soldaten ermordet.
Im Bunker glauben Hitlers enge Gefolgsleute noch an ihn, während Himmler und Göring schon längst gegen ihn arbeiten.
Draußen in der Stadt sieht man Ärzte, die versuchen die Verwundeten zu versorgen. Abgehakte Hände fliegen in einen Behälter.
Im Bunker erscheinen Ärzte, die Hitler beraten welche Methode des Selbstmordes wie wirkt.
Eine der bewegensten Szenen ist, als Magda Goebbels erst ihre Kinder betäubt und dann vergiftet, statt sie noch rechtzeitig ausfliegen zu lassen.
Für Magda Goebbels war ein Leben nach Hitler, also ein Leben ohne den Nationalsozialismus nicht lebenswert.
Sie schreibt an ihren Sohn aus erster Ehe:
„Wir haben nur noch ein Ziel: Treue bis in dem Tod dem Führer, und dass wir zusammen unser Leben mit ihm beenden, ist eine Gnade des Schicksals, mit der wir niemals zu rechnen wagten.“
Irgendwie konnte ich die vielen folgenden Selbstmorde aus Treue zum Führer oder aus Soldatenehre nach Hitlers Tod nicht ganz nachvollziehen.
Der Film lässt sicherlich viele Fragen offen.
Für mich bleiben am Ende des Filmes die Fragen:
Wieso waren so viele Menschen von Hitler fasziniert und bereit ihm bedingungslos zu gehorchen?
Wie hätten wir damals gehandelt?
Wie kann man solch einem blinden Gehorsam entgegen wirken?
(C) Ingeborg Lüdtke
Text- und Data-Mining: Ich behalte mir eine Nutzung aller Inhalte dieser Webseite für kommerzielles Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.