Magazin „Mix Up“ im StadtRadio Göttingen ausgestrahlt am 22. August 2005
Interview mit der Lokalhistorikerin Dr. Birgit Schlegel über die Geschichte der Ortschaft Katlenburg im Landkreis Northeim
Ingeborg Lüdtke:
Frau Dr. Schlegel, die Ortschaft Katlenburg feiert vom 26. bis 28. August das 900-jährige Jubiläum.
In welchem Zusammenhang wurde Katlenburg zum ersten Mal urkundlich erwähnt?
Dr. Birgit Schlegel:
Im Staatsarchiv Hannover liegt eine Urkunde aus dem Jahre 1105. In dieser Urkunde wird berichtet, dass der Erzbischof Ruthard von Mainz den Hauptaltar einer Kirche geweiht hat, die als Klosterkirche gedacht war. Die Grafen von Katlenburg hatten beschlossen zum Heil ihrer Seele und der ihrer Eltern ein Kloster zu errichten. Hierfür setzte sich besonders Graf Dietrich III. mit seiner Frau Adela ein.
Dies wurde in dieser Urkunde bestätigt und es wurden auch die Besitzungen verteilt, die der Graf und die Gräfin dem Kloster übergeben werden.
Ingeborg Lüdtke:
Aus welcher Familie stammte Graf Dietrich der Dritte?
Dr. Birgit Schlegel:
Wie ich bereits erwähnt, nannte man diese Herrscher die „Grafen von Katlenburg“ und der letzte Graf wurde auch „Graf von Einbeck“ genannt, weil es auch Besitzungen in Einbeck gab.
Die ersten beiden Grafen von Katlenburg hießen Heinrich und Udo. Der Name Udo weißt darauf hin, dass es verwandtschaftliche Beziehungen zu den Grafen von Stade gab. Diese waren damals auch sehr mächtige Herren.
Der Sohn von Graf Udo war Graf Dietrich der Erste, dessen Sohn war Graf Dietrich der Zweite. Im folgte der eben erwähnte Graf Dietrich der Dritte, der der letzte der Katlenburger Grafen wurde.
Ingeborg Lüdtke:
Welche Bedeutung hatte das Katlenburger Geschlecht in der damaligen Reichspolitik?
Dr. Birgit Schlegel:
Der Mittelpunkt des mittelalterlichen deutschen Reiches lag hier in unserer Gegend. Die Ottonen waren Sachsenkaiser und unter Sachsen verstand man das heutige Niedersachsen. Damals war Sachsen das Zentrum des Reiches. In Goslar gab es die Kaiserpfalz und auch hier im Harzumland hatten die Kaiser Besitzungen. Es gab auch einen wichtigen und sehr kämpferischen sächsischen Adel und zu diesen gehörten die Grafen von Katlenburg.
Ingeborg Lüdtke:
Was gibt es Besonderes über das Kloster Katlenburg zu erwähnen?
Dr. Birgit Schlegel:
Es war zunächst ein Kloster für Augustiner Chorherren, also für Mönche und relativ bald wurde es umgewandelt zu einem Kloster für Frauen, für Stiftsdamen. Diese waren ebenfalls Augustinerinnen.
Für mich ist das Wichtigste das Lagerbuch des Klosters, das die letzte Äbtissin hat schreiben lassen. Ein Lagerbuch ist ein Verzeichnis von den Gütern und Rechten, die zu einem Kloster gehören. Zum Beispiel heißt es dort: „Zum Kloster gehören 5 Wiesen in Wachenhausen“ oder „der Bauer Johannes aus Lindau bringt dem Kloster jährlich einen Käse“. Dies war damals ganz wichtig zu verzeichnen, weil in Thüringen die Bauernkriege tobten. Man hatte Angst, dass dies auch auf den Katlenburger Bereich übergreifen würde.
Dieses Lagerbuch ist vollständig und auch sehr gut erhalten.
Ingeborg Lüdtke:
Das Kloster wurde später unter Philipp dem Jüngeren von Grubenhagen zum Schloss umgebaut.
Welche Rolle spielte er in der Reichspolitik?
Dr. Birgit Schlegel:
Philipp der Jüngere war der fünfte Sohn von Herzog Philipp dem Ersten von Grubenhagen. Er wurde erst kurz vor seinem Lebensende Herzog. Er besaß das kleine welfische Territorium Grubenhagen mit dem Schwerpunkt in Einbeck, Osterode und Herzberg Das Schloss Herzberg war das Zentrum.
Da Philipp der Jüngere nicht besonders reich war, hat er sich in den Kriegsdienst des spanischen Königs gestellt. Er hat auch gegen die Türken gekämpft. Obwohl die Welfen Protestanten wurden, hat er auf der katholischen Seite für die Könige von Spanien und der Niederlande gekämpft. Hier sieht man, dass die angeblichen Glaubenskriege auch machtpolitische Kriege waren.
Ingeborg Lüdtke:
Wie erlebte Katlenburg den 30 jährigen Krieg?
Dr. Birgit Schlegel:
Zum Amt Katlenburg gehörten neben dem alten Bauerndorf Katlenburg-Duhm, Wachenhausen, Gillersheim, Suterode und Berka. Den Bewohnern dieser Dörfer ging es 30 jährigen Krieg sehr schlecht. Sie wurden immer wieder überfallen und nach dem Krieg waren sehr viele Häuser zerstört. Besonders schlecht ging es der Katlenburg, weil der damalige Fürst, ein Bruder von Herzog Georg von Lüneburg, sich als neutral erklärt hatte. Leider benahm er sich so, dass man annahm, er sei auf der katholischen Seite. Die katholische Seite hat nicht gewusst, dass er neutral war und so geriet er zwischen alle Machtzentren. Die Katlenburg wurde mehrfach zerstört, besonders stark im Jahre 1626. Darüber gibt es noch an der Kirche eine Inschrift, die besagt, dass in des Friedes Fehde 1626 die Katlenburg, das Amtshaus, die Kirche, das Schloss und auch unten in Duhm die Dörfer von dänischen Besatzungstruppen stark zerstört wurden. Die Besatzungstruppen haben sich in Northeim aufgehalten. Auch Northeimer Bürger haben sich an der Zerstörung beteiligt. Sie kamen als Hintertross der dänischen Soldaten und haben alles, was nicht Nigel und Nagel fest war mitgenommen. Zum Plündergut gehörte vor allen Dingen Proviant, Essen, Eisen und auch Messing, praktisch alles Metallische. Dies haben die Katlenburger den Northeimern lange nicht verziehen.
Ingeborg Lüdtke:
In diesem Jahr wurde der 60. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus begangen. Welche Rolle spielte der Nationalsozialismus in Katlenburg?
Dr. Birgit Schlegel:
Zunächst muss man sagen, dass die ganze hiesige Gegend schon sehr für und sehr stark nationalsozialistisch gewählt hatte. Als 1933 die entscheidende Wahl im März war wählten schon weit über 50 Prozent nationalsozialistisch, während es im Gesamtreich noch unter 50 Prozent waren.
Es gab keine großen Helden des Widerstandes hier in Katlenburg. Viele waren Mitläufer und viele haben innerlich emigriert. Äußerlich sind sie mitmarschiert, aber innerlich waren sie distanziert.
Die einzige politische Gruppe, die hier relativ lange den Nationalsozialisten standgehalten hat, das war die Welfen-Partei, also die deutsch-hannoveranische Partei. Der letzte Bürgermeister Hillemann wurde dann 1933 dadurch aus dem Amt gebracht, in dem man ihm einen falschen Umgang mit Gemeindefinanzen vorgeworfen hat.
Es gibt allerdings einen Mann, der Widerstand eher aus Glaubensgründen geleistet hat und zwar war er ein Zeuge Jehovas. Karl Domeier war 8 Jahre im Konzentrationslager. Das war eigentlich derjenige, der sicher hier am meisten gelitten hat.
© Ingeborg Lüdtke
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Literaturhinweise:
Birgit Schlegel hat im Juni 2005 einen kurzen Beitrag über die 900 jährige Geschichte Katlenburgs in der Zeitschrift „Südniedersachsen“ veröffentlicht.
Birgit Schlegel (Hg.), Katlenburg und Duhm. Von der Frühzeit bis in die Gegenwart. Verlag Mecke Druck, Duderstadt 2004
In dem „Northeimer Jahrbuch 2006“ 71. Jahrgang ist ein kurzer Beitrag über Karl Domeier erscheinen. Marc Schmidtchen berichtet hier anhand von Dokumenten über die persönliche Verfolgungsgeschichte von Karl Domeier im NS-Regime.