Die Radiosendung wurde am 1. Dezember 2003 im StadtRadio Göttingen ausgestrahlt
Am 10. November 2003 wurde im ehemaligen Gerichtsgefängnis in Osterode in einer Zelle und im davorliegenden Flur eine Dauerausstellung eröffnet. [Anm.: Bilder und Bericht auf www.spurensuche-harz.de im Artikel „Einweihung des Gedenkortes im Amtsgericht Osterode“]
Die Ausstellung behandelt die „Geschichte des Amtsgerichtes und die Erosion des Rechtsstaates in den 30er Jahren.“
Am Beispiel von Hannah Vogt wird über die Verfolgung von Widerständlern informiert.
Firouz Vladi von der Arbeitsgemeinsschaft Spurensuche Südharz dankte dem Historiker Hans Hesse hat die Briefe von Hannah Vogt in einen historischen Kontext gestellt und veröffentlicht.
Ich sprach mit ihm über die Hintergründe dieser Veranstaltung.
Ingeborg Lüdtke:
Herr Dr. Hesse, Sie haben sich dafür eingesetzt, dass ein Gedenkraum für die Göttingerin Hannah Vogt in Osterode eingesetzt wurde. Wer war Hannah Vogt überhaupt?
Hans Hesse
Dr. Hans Hesse:
Sie war eine politisch äußerst engagierte, kämpferische Frau, die sich für bestimmte Belange sehr intensiv eingesetzt hat und dazu gehört in Göttingen natürlich die Kulturpolitik.
Jeder, der in Göttingen den Namen Hannah Vogt hört, erinnert sich an ihren Einsatz für die Kulturpolitik. Man könnte diese Frage so beantworten. Eine andere Antwort ist: Hannah Vogt ist eigentlich eine geborene Berlinerin. Sie ist vor dem 1. Weltkrieg mit ihren Eltern nach Göttingen umgezogen und ist dann dort zum Entsetzen ihrer Eltern der KPD beigetreten. Hier zeigt sich schon ihr erstes politisches Engagement und für diese Tätigkeit der KPD ist sie dann in Osterode inhaftiert worden und von Osterode dann ins Frauen-Konzentrationslager nach Moringen überführt worden. Nach 1945 ist dann Hannah Vogt in die FDP eingetreten und als Ratsherrin in Göttingen tätig gewesen. 1968 ist sie dann Ratsherrin der SPD in Göttingen geworden. Später hat man ihr dann die Ehrenbürgerwürde angetragen. Sie hat sogar einmal für die Oberbürgermeisterwahl in Göttingen kandidiert.
Ingeborg Lüdtke:
Sie haben ja in dem Buch „Hoffnung ist ein ewiges Begräbnis“ die Briefe von Hannah Vogt veröffentlicht. Welcher Brief hat Sie jetzt besonders bewegt.
Dr. Hans Hesse:
Es gibt mehrere. Ich könnte als Historiker die Frage unter dem Gesichtspunkt beantworten, welcher Brief wichtige historische Informationen beinhaltet. Ich kann aber die Frage auch als Mensch beantworten und da spricht mich der Brief von Hannah Vogt vom 7. April 1933 besonders an, den sie ihren jüngeren Bruder anlässlich seiner Konfirmation geschickt hat. In diesem Brief formuliert Hannah Vogt ihr politisches Credo, in dem sie sagt: „Wir dürfen uns nicht mit dem zufrieden geben, was wir haben, wenn es uns sehr gut geht, vor allem materiell gut geht. Wir sollten dann unser Streben nicht danach auslegen, dieses zu erhalten und zu vermehren, sondern wir sollten sehen, wie es unseren Mitbürgern geht.“[Anm.: kein Direktzitat] Sie gibt das sozusagen ihrem jüngeren Bruder anlässlich seiner Konfirmation mit auf den Weg. Mir ist noch der Brief vom 28. Juni 1933 aufgefallen. Sie schreibt ihn aus dem Frauen-KZ Moringen, in dem sie nun inhaftiert ist. Sie wird dort massiv unter Druck gesetzt. In diesem Brief an ihren Vater schreibt sie: „Einen offiziellen Rücktritt von meinen allgemeinen Ideen aber mache ich nicht, am allerwenigsten im Gefängnis.“ Diesen Satz finde ich angesichts der Situation, in der sie sich damals befand, doch sehr beeindruckend und mutig. Sie hat also trotz der Repression, der sie ausgesetzt war, zu ihrer Überzeugung gestanden.
Der Präsident des Oberlandesgerichts in Braunschweig, Edgar Isermann, bestätigte in seiner Einweihungsrede, dass die ND-Justiz mehr vom Unrecht als vom Recht geprägt war.
Für die Justiz sei es eine Frage der Ehre, dass diese Gedenkstätte im Osteroder Amtsgericht eröffnet wird. Die Justiz in Osterode leiste damit einen Beitrag, um mahnend an die dunklen Seiten der Geschichte zu erinnern.
Bisher ist die Ausstellung nur auf Hannah Vogt ausgerichtet. Laut Hans Hesse soll die Ausstellung aber erweitert werden.
© Ingeborg Lüdtke
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Weiterführende Literatur:
Hannah Vogt: Hoffnung ist ein ewiges Begräbnis. Briefe von Dr. Hannah Vogt aus dem Gerichtsgefängnis Osterode und dem KZ Moringen. Hrsg. Hans Hesse. Edition Temmen, Bremen 1998