Ausschnitt aus der Lesung vom 15. November 1999 im Alten Rathaus in Göttingen mit dem Sozialpädagogen Martin Guse und dem Historiker Dr. Hans Hesse im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Gedenken an die Opfer des NS 27. Januar”:
Jonathan Stark wurde im Jugend-KZ Moringen die Haftnummer 1140 zugeteilt.
Der 17-jährige stammte aus Ulm und hatte die dortige Kunstmalerschule absolviert. Aufgrund seines Glaubens hatte er den Arbeitsplatz als Lithograph verloren. Am 01.10.1943 zum „Reichsarbeitsdienst“ einberufen, verweigerte er den Eid „auf Führer und Staat“. Nach ersten Vernehmungen durch die Gestapo wurde er am 23.11.1943 endgültig verhaftet und in das Polizeigefängnis Stuttgart überstellt. Dort traf er auf den Häftling Walter Schumann, der sich später an die heimlichen Gespräche mit dem Jungen erinnerte: „Keineswegs betrübt über seine Gefangenschaft erzählte er freimütig, er gehöre zur Organisation der Bibelforscher und habe aus innerer Überzeugung den Eid auf Adolf Hitler verweigert. Er hieß Stark und stammte aus Ulm. Was ihm bevorstand, wußte er gut: Welzheim, Konzentrationslager. So mancher seiner Glaubensgenossen saß bereits dort. Wie er sagte, standen seine Angehörigen in geheimer Verbindung mit ihnen. Bis in alle Einzelheiten war er über die Behandlung dort unterrichtet. Beim Reichsarbeitsdienst hatte man ihn zunächst eingesperrt und durch andere Maßnahmen immer wieder zum Eid pressen wollen. Da er jedoch standhaft blieb, hat man ihn endlich der Gestapo zur weiteren Behandlung übergeben. (…) ‘Aber’, so fuhr Stark in seinem Bericht fort, ‘es kam dann bei meiner Vernehmung noch ein anderer Beamter hinzu, ein dicker, unsympathischer Mensch’, der habe ihn angeschrieen, er sei ein großer Vaterlandslump und das beste wäre, man würde ihn ohne langes Federlesen erschießen. Auch der Vater von Stark, dessen inzwischen erfolgte Verhaftung man dem jungen Menschen mitteilte, gehöre hingerichtet; überhaupt alle Bibelforscher. Aber auch damit ließ sich der junge Stark nicht einschüchtern. Man merkte ihm an: er war bereit, sich zum Märtyrer machen zu lassen und, wenn es sein mußte, für seinen Glauben in den Tod zu gehen.“ [1]
Aus dem Polizeigefängnis Stuttgart überstellte man Jonathan Stark nicht nach Welzheim, sondern Anfang 1944 in das Jugend-KZ Moringen, wo die SS ihn der Gruppe der politischen Häftlinge, den sog. „Stapo-Häftlingen“ und dem entsprechenden Häftlingsblock, zuordnete. Im Herbst 1944 in das KZ Sachsenhausen verschleppt, als Todeskandidat gekennzeichnet und in Block 14 untergebracht, wurde Jonathan Stark dort am 01.11.1944 im Alter von 18 Jahren durch den Strang hingerichtet. [2] [1] Schumann, Walter, Nur vierzehn Tage. Ein Tatsachenbericht. Stuttgart o.J., S. 107/108
[2] Vgl. Auswertung des Lagerbuches durch Dr. H. Muth beim Internationalen Suchdienst des Roten Kreuzes in Arolsen; in: Institut für Zeitgeschichte München, Deponat Muth; dazu: Aussage des Vaters von Jonathan Stark vom 21.11.1945 im Archiv der Wachtturmgesellschaft, Selters; weitere Quellen: Leber, Annedore, Das Gewissen steht auf. Lebensbilder aus dem deutschen Widerstand von 1933 – 1945, Berlin 1954, S. 20 sowie Lechner, Silvester, Das KZ Oberer Kuhberg und die NS-Zeit in der Region Ulm/Neu-Ulm, Ulm 1988, S. 89(c) Martin Guse, mit freundlicher Genehmigung
Beitragsausschnitt aus Martin Guse “Der Kleine, der hat sehr leiden müssen …” Zeugen Jehovas im Jugend-KZ Moringen aus dem Sammelband „Am mutigsten waren immer wieder die Zeugen Jehovas“ – Verfolgung und Widerstand der Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus, (Hrsg.) Hans Hesse, Bremen 1998, Edition Temmen
Ausschnitt aus der Radiosendung vom 1. Oktober 2008 über die Heeresmunitionsfabrik Volpriehausen und das Jugend-KZ Moringen